E5, E10 - wie eine Tankstelle funktioniert - WELT

2022-09-10 09:46:01 By :

G igantische unterirdische Tanks enthalten die falsche Sorte, Tanklastzüge fahren darum öfter hin und her

Zapfsäule - wer das sagt, outet sich gleich als Laie. Fachleute sagen nicht Zapfsäule, sondern Multi Product Dispenser (MPD) - Vielprodukt-Verteiler. Schließlich pumpen MPDs sowohl Diesel als auch Super E10, Super E5 und Super Plus in die Autotanks. Und genau das ist das Problem.

Dieses schnelle und bequeme Zapfen funktioniert nur, weil unter der Tankstelle verschiedene Tanks lagern, die über ein kilometerlanges Leitungsnetz mit jeder Säule, pardon: mit jedem MPD verbunden sind. Jeder Tank ist zehn bis zwölf Meter lang, fasst 60 000 bis 90 000 Liter und kann unterteilt werden, damit in einem Behälter mehrere Spritsorten Platz finden. Großtankstellen kommen so auf ein Lagervolumen von 400 000 bis 500 000 Liter, doch die Erfahrungen der letzten Tage zeigen, wie wichtig ist es, die Kapazitäten richtig zu kalkulieren. Denn in Erwartung guter Geschäfte haben die Mineralölfirmen schon vor Wochen damit begonnen, die größten Lagertanks für E10 zu reservieren, während die bisherigen Sorten in kleinere Behälter gefüllt wurden. "Die großen Tanks sind für Super E10 ausgelegt", heißt es beim Mineralölwirtschaftsverband, der Super E5 als "relativ kleine Sorte" bezeichnet. Sie sei folglich nur in kleinen Mengen vorrätig.

Die Statistik des Verbands spricht allerdings eine andere Sprache: Hier ist Super Plus der Kraftstoff mit der größten Zuwachsrate gegenüber dem Vorjahr: rund 36 Prozent. Auch das E5-Super mit 95 Oktan legte nochmals um 8,5 Prozent zu, während E10 in der Statistik noch gar nicht in Erscheinung tritt. So kommt es, dass sich die Vorratsstrategie der Ölkonzerne als Fehlplanung erweist, die an manchen Stationen bereits zu Leerständen geführt hat. Statt zweimal pro Woche müssen manche Tankstellen jetzt mehrmals täglich beliefert werden, damit die E5-Sorten getankt werden können.

Alles andere wird an den Tankstellen deutlich sorgfältiger geplant, etwa die Sicherheit: Die Stationen arbeiten hier mit Netz und doppeltem Boden, denn sowohl die unterirdischen Lagertanks als auch die Rohrleitungen zu den Zapfsäulen sind doppelwandig konstruiert. Zusätzlich wird der Hohlraum zwischen den Wänden der Tanks elektronisch überwacht. Sollten die Sensoren ein Leck feststellen, lösen sie Alarm aus und informieren per Online-Verbindung sofort den Reparaturdienst.

Auf ähnliche Weise erfolgt die Preisanpassung: Alle Stationen sind online mit den Zentralen der Mineralölgesellschaften verbunden, die per Fernsteuerung die Literpreise verändern können. Es nützt also wenig, das Personal an der Kasse zu beschimpfen, wenn der Sprit teurer wirkt - oft bemerken das die Mitarbeiter nicht einmal. Online funktioniert auch die Nachschubplanung: Aus der Ferne überwachen die Mineralölkonzerne den Absatz an ihren Stationen je Spritsorte und ordern dementsprechend die Fahrten der Tanklastwagen.

Sie liefern aber nicht nur den Treibstoff, sondern sind auch ein wichtiges Glied in der Kette, wenn es gilt, giftige Dämpfe beim Tanken nicht in die Atmosphäre gelangen zu lassen: Seit 1997 müssen alle Tankstellen mit Saugrüssel-Zapfpistolen ausgerüstet sein, die giftige Gase absaugen, wenn sie vom einströmenden Benzin aus den Autotanks verdrängt werden. Die Dämpfe werden zunächst in die unterirdischen Tanks geleitet. Dort bleiben sie bis zum nächsten Besuch des Tankwagens, der die Dämpfe während der Befüllung der Lagertanks einsammelt und sie in die Raffinerie zurückbringt.

Von dem, was unter einer Tankstelle passiert, bekommen Autofahrer so gut wie nichts mit. In Zukunft werden sie beim Tankstopp noch nicht einmal aussteigen müssen. Das liegt aber nicht daran, dass mehr Ketten die Rückkehr zum Tankwart vorantreiben, im Gegenteil: Schon ist der Tankroboter in der Entwicklung. Man fährt vor, eine in der Zapfsäule verborgene Roboterhand öffnet den Tankdeckel und dirigiert die Zapfpistole in den Stutzen. Der Tankstellencomputer identifiziert inzwischen das Auto und belastet automatisch die Kreditkarte des Fahrers. Das könnte eine feine Sache sein - solange man weiterhin zwischen E5 und E10 wählen kann.

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