Häuserkampf und Rasputiza: In Kiew droht Putin-Generälen jetzt das böse Erwachen - FOCUS online

2022-08-27 03:30:28 By : Mr. William Wang

Ein britischer Militärexperte hält es für möglich, dass Putins Armee bei der Eroberung Kiews scheitern könnte. Denn die Ukraine ballt neue Kampfkraft zusammen. Diese Truppen könnten der Stadt zu Hilfe eilen. Dann wären die russischen Einheiten bei Kiew von ukrainischen Verbänden umzingelt.

Kiew ist für Putins Armee weiterhin der Schlüssel zum Sieg in diesem Krieg. Wenn die Hauptstadt fällt, bricht auch nach und nach der Widerstand in der restlichen Ukraine zusammen, so Putins Kalkül. Präsident Wolodymyr Selenskyj befindet sich ebenso in Kiew wie Bürgermeister Vitali Klitschko und sein Bruder Wladimir – die ukrainischen Aushängeschilder für den Widerstand gegen die russischen Invasoren. Die russischen Soldaten wollen daher die Stadt von Nordwesten, Westen und Osten her einkesseln.

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Doch dort stoßen die russischen Truppen auf erbitterten Widerstand der Ukrainer. Obwohl russische Granaten und Raketen die Vororte Kiews mittlerweile in eine Trümmerlandschaft geschossen haben, ist der Putin-Armee der Zugang in die Hauptstadt auch nach knapp drei Wochen weiterhin verwehrt. Während die Russen im Süden der Ukraine aufgrund des dortigen warmen, trockenen Wetters Fortschritte erzielen, kam dem ukrainischen Generalstab im Kampf um Kiew auch der morastige Boden zu Hilfe, der nun im Frühjahr nördlich von Kiew weiter aufweicht.

„Kiew hat für Putin eine enorme politische und symbolische Bedeutung“, sagt Harald Kujat, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr zu FOCUS Online. Doch bislang blieb Kiew für das russische Militär uneinnehmbar: Russische Luftlandeangriffe, vor allem auf den Flughafen Hostomel westlich von Kiew, fanden seit Kriegsbeginn fast ohne Unterstützung statt und wurden von den ukrainischen Eingreiftruppen rasch verstreut. „Viele der am besten ausgebildeten und motivierten russischen Fallschirmjäger- und Spezialeinheiten erlitten daher in der ersten Woche der Invasion große Verluste, ohne nennenswerte Ergebnisse zu erzielen“, schreibt Militär-Experte Justin Bronk vom britischen Royal United Services Institute for Defence and Security Studies (RUSI) aus London im „Spectator“.

Die von Norden auf Kiew heranrückenden russischen Truppen steckten zudem wegen des extrem schlammigen Geländes auf den verstopften Straßen fest. Die ukrainischen Streitkräfte konnten so mit Artillerie, Drohnen und den von westlichen Ländern gelieferten Panzerabwehrraketen immer wieder Hinterhalte legen. Wegen schlechter Planung erlitten die meisten russischen Fronteinheiten so rasch einen Mangel an Lebensmitteln, Treibstoff und Munition. Die ukrainischen Streitkräfte konnten in der Folge im Norden und Nordosten weitere Nachschubkonvois der Russen zerstören.

Letzte Woche mussten die russischen Streitkräfte im Norden und Nordosten der Ukraine daher eine große Pause einlegen, um sich neu zu formieren. Die ukrainischen Streitkräfte führten sogar erfolgreiche Gegenangriffe zur Rückeroberung der nördlich und westlich von Kiew gelegenen Städte Tschernihiw und Irpin. Am vergangenen Wochenende gab es dann fast keine Angriffe nordwestlich von Kiew. Der ukrainische Generalstab meldete, dass die russischen Streitkräfte vorrangig ukrainische Stellungen auskundschaften, um sich auf die Wiederaufnahme von Angriffen auf Kiew vorzubereiten.

Während die russischen Truppen laut ukrainischem Generalstab „weiterhin die Infrastruktur und Wohngebiete mit Raketen und Bomben, Artillerie und Panzern angreifen, bereite sich Kiew auf eine „erbitterte Verteidigung“ vor, so ein Selenskyj-Berater.

Moskau habe „bereits begonnen zu verstehen, dass es mit Krieg nichts erreichen wird“, sagte dann Selenskyj selbst in einer in der Nacht zum Dienstag auf seiner Facebook-Seite veröffentlichten Videobotschaft: „Einen solchen Widerstand hatten sie nicht erwartet. Sie glaubten ihrer Propaganda, die seit Jahrzehnten über uns lügt.“ Die russische Armee habe angeblich binnen 19 Kriegstagen in der Ukraine höhere Verluste erlitten als während der beiden Tschetschenien-Kriege, so Selenskyj.

Am 15 März 2022 spricht Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, in einer Videobotschaft auf Facebook.

Nach Schätzungen von US-Behörden seien bereits bis zu 6000 russische Soldaten gefallen. Justin Bronk vom britischen RUSI schätzt, dass das russische Militär seit Beginn der Invasion bereits mehr als 1000 Fahrzeuge, Flugzeuge und schwere Waffen verloren hat: „Die tatsächliche Zahl dürfte noch wesentlich höher sein.“

Im Süden der Ukraine hatten die russischen Streitkräfte jedoch mehr Erfolg. Die ukrainische Armee war dort schlechter aufgestellt. Zudem kam den gepanzerten russischen Militärfahrzeugen das offene und relativ trockene Agrarland im Süden gelegen: Cherson und Melitopol wurden rasch eingenommen, Mariupol wurde eingekesselt und steht seit zwei Wochen unter Dauer-Beschuss.

Nun rücken russische Truppen nach Norden in Richtung Dnipro vor und versuchen sich mit den Kräften zu verbinden, die Charkiw im Norden belagern. Ziel der Russen wäre dann die ukrainische Armee einzukesseln. Für Justin Bronk steht die ukrainische Regierung in den kommenden Tagen vor einer äußerst schwierigen Entscheidung: „Sie könnte versuchen, ihre Kräfte in Richtung Charkiw und Kiew zurückzuziehen, um eine neue Verteidigungslinie zu errichten.“ Dabei würde sie zweifellos schwere Verluste erleiden, aber, so Bronk: „Dieser Rückzug könnte die Kampffähigkeit der Armee verlängern, allerdings um den Preis, dass ein Großteil der Süd- und Ostukraine aufgegeben werden müsste.“

Russlands Angriff auf die Ukraine (Stand: 14.3.2022): Nun stoßen auch russische Truppen aus dem Süden in Richtung Kiew vor.

Doch die Hauptstadt Kiew könnte so weiter verteidigt werden. Zudem wird die Hauptstadt bislang vom Westen mit modernen Panzer- und Flugabwehrraketen, Munition, Lebensmitteln, Medikamenten und Geld versorgt. Bronk: „Wenn es den russischen Streitkräften nicht gelingt, die Hauptstadt einzukesseln, bevor diese Vorräte aufgebaut sind, könnte es für sie bereits fast unmöglich sein, die Hauptstadt einzunehmen.“ Sie könnten dann im Gegenzug sogar von den ukrainischen Truppen eingekreist werden.

Für Harald Kujat, den ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr, sind die Informationen über den Kriegsverlauf zu unzuverlässig, um konkrete Aussagen über die Chancen der ukrainischen Armee zu treffen. Viele Aussagen dienten wohl auch nur dazu, um die Moral der ukrainischen Truppen zu festigen. Allerdings, so Kujat zu FOCUS Online: „Die Ukrainer machen es geschickt: In urbanen Gebieten wie Kiew können sie ihre Waffen mit kürzerer Reichweite zur Geltung bringen.“ Daher scheuten die Russen den Häuserkampf in Kiew und beließen es wohl bei Artillerie-Angriffen aus dem Umland. Die Stinger-Raketen der Ukrainer könnten auch die russische Luftwaffe bislang davon abgehalten haben, Kiew großflächig zu bombardieren. Dieses Risiko scheuen Putins Generäle. Noch.

Die Ukrainer hoffen nun auch auf das warme Frühlingswetter. Die Temperaturen im Norden der Ukraine sollen in den nächsten Tagen steigen und die gefrorenen Böden weiter in Matsch verwandeln. Die „Rasputiza“ steht an, die „Zeit der Wegelosigkeit“, wenn das Tauwetter im Frühling die unbefestigten Straßen in tiefen Morast versinken lässt. Sie könnte den Nachschub für die russischen Truppen vor Kiew weiter erschweren.

„Doch“, so Kujat, „keine Stadt ist uneinnehmbar.“

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es nicht mehr lange und Putin wird durch einen Putsch seiner Generäle, von denen mit Sicherheit mehrere in dem Krieg auch keinen Sinn sehen, gestürzt. Alleine schon der bisherige Kriegsverlauf lässt erahnen, dass nur halbherzig vorgegangen wird. Leider dauert dadurch allerdings dieser Krieg auch wesentlich länger, wodurch immer mehr Menschen sterben müssen und die materielle Zerstörung enorme Ausmaße annimmt.

Mittwoch, 16.03.2022 | 01:02 | Harald Böhm  | 1 Antwort

ja fräsen, es wird kein Stein auf den anderem bleiben, gerade hier ist die artellerischte Feuerkraft der Russen von unschätzbaren Vorteil, auch wenn viele an einer erfolgreichen Verteidigung glauben. Einfach mal „Kampf um Berlin“ studieren, da steht genau beschrieben, wie die Russen Kiew angreifen werden.

dann mal zu, bei der Schlacht um Berlin verloren ca. 78000 Rotarmisten ihr Leben, etwas 274000 wurden verwundet. Ich bin jetzt schon gespannt wie Diktator Putin seinem Volk diese Verluste erklären will, ist ja schließlich nur eine kleine begrenzte Operation. Die Ukrainer sind sicher bereit, die kämpfen ja für ihre Freiheit.

Obama bezeichnete die Russen als Regionalmacht. Es wird bitter für die Russen werden. Auch wenn die Städte fallen, werden sie diese heldenhaften Ukrainer nicht besiegen können. Das ist wahrlich kein Angstbeißervolk wie die Deutschen.

Dienstag, 15.03.2022 | 22:00 | Jutta Denker  | 1 Antwort

Putins verbrecherischer Angriffskrieg bleibt stecken, seine Truppen versinken im Morast vor Kiew. Das ist eine gute Nachricht. Denn jeder Tag, den dieser sinnlose Krieg länger dauert, ist ein weiterer Sargnagel auf der Amtszeit Putins. Schon nach drei Wochen sind mehr russische Soldaten gefallen als im gesamten zehnjährigen Tschetschenienkrieg. Hinzu kommen tausende Kriegsopfer unter Zivilisten, denn statt einer präzisen militärischen Operation hat Putin breit angelegte Kriegsverbrechen mit Streubomben und wahllosem Artilleriebeschuss begangen. Wenn das russische Volk diese schändlichen Wahrheiten realisiert hat, wird wohl auch der Herr Putin in seinem selbst erzeugten Morast versinken.

Es gab noch nie einen sinnlosen Krieg, sinnlose Kommentare von Ihnen jeden Tag... Übrigens, die Russen bewegen sich entlang der befestigten Straßen. Sonst ist die Militär Technik auch geländegängig...

dato lagen alle Einschätzungen daneben. Ein in der NATO unbekanntes Spiel. Die Hobbkrieger eifern eifrig mit zuhause im Sessel. Den müssen sie aber immer mehr verlassen, zeit zum tanken oder eilige Schritte zum Kloopapier im Supermarkt. In einer der weiteren Kornkammer der Welt; USA; wird ein dürres Jahr erwartet. keine Ernte kein Brot , aber schlimmer - keine Exportmöglichkeit. Da ich nicht glauben kann das NATO und USA nur aus Hitzköpfen und Dummköpfen besteht muss da was anderes am laufen sein, auch weit ab aller Medien. Wer nur nach vorne blickt der schaut auch nur auf Bremslichter.

In diesen Kommentaren wimmelt es nur so von erbärmlichen Putin-Trollen. Mehr muss man nicht schreiben.

10 Tage Bombenangriffe auf Kiew mit strategischen Backfire Bombern und Kiew gäbe es nicht mehr. Die Bomber können aus 10-20km Höhe weit außerhalb der Reichweite von Stinger FLA agieren. Jeder Bomber kann 50 500kg Bomben tragen und Russland besitzt alleine von diesem Typ noch 100 Stk. Warum macht Putin das nicht, wenn er so menschenverachtend agiert, keinerlei Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nimmt und die Ukrainer alle töten will, wie man täglich von Herrn Selensky hören kann?

Die Ukraine ist fast doppelt so groß als Deutschland. Ein riesiger Flächenstaat, mit Sümpfen, Flüssen, Bergen, morastigen Feldern und vielen Großstädten. Um dieses Land zu kontrollieren, braucht man deutlich mehr als 150.000 Soldaten. Die Ukrainer werden weiter Widerstand leisten. Guerillataktik. Flexible, kleine Einheiten mit ungeheurer Motivation. Kämpfend für Freiheit und Demokratie. Gegen eine moralisch ausgehöhlte riesige Streitmacht, mit allerdings enormen logistischen Problemen. Kaum Nachschub. Es fehlt an Lebensmitteln, Unterkünften und auch Sprit. Dazu Soldaten, die nicht wissen für was sie kämpfen. Der Hass der Ukrainer auf alles russische wird mit jeder Bombe großer. Bomben und Raketen, die auf Wohngebiete fallen und Zivilisten töten.

Schicken Sie vorher noch ein paar Raketen und Bomben bevor sie sich mit den Heckenschützen auseinander setzen. Umzingeln und warten ist die Beste Möglichkeit Kiew einzunehmen ganz nach dem Motto in der Ruhe liegt die Kraft. Auf ein oder zwei Monate kommt es doch gar nicht an. Immer schön langsam. In der Ruhe liegt die Kraft.

haben sich einige ereiterklärt in der Ukraine mitzukämpfen. Was tut man nicht alles für einen Kick, weil es im eigenen Land zu langweilig ist. Der Krieg holte Siegfried einen Tag vor seiner geplanten Abreise aus der Ukraine ein. Der Deutsche blieb und schloss sich dem ukrainischen Freiwilligenheer an, der sogenannten territorialen Verteidigung. "Die Motivlage? Ich fand das zu feige und zu doof, vor diesem Kampf zu fliehen", sagt er. Nun ist er mit Anfang 40 Zugführer, wie er sagt. Ihm unterstehen demnach etwa 30 Menschen in einer Truppe. Zahlen von mehr als 20.000 Freiwilligen aus 52 Ländern kursieren. Daheim ist es vielleicht zu langweilig, da kämpft man lieber freiwillig für einen Kick.

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